
Die Deglobalisierung und Fragmentierung der Cloud

Die Cloud war erst chaotisch, dann wurde sie langweilig.
In den Anfangstagen war der Hosting-Markt zersplittert: Colocation, On-Prem, überall kleine Server-Reseller.
Dann kamen die Hyperscaler. AWS, Google Cloud, Azure. Sie brachten Skaleneffekte, Virtualisierung und eine globale Infrastruktur, die alles veränderte. Es war eine Konsolidierungswelle, die den Markt verschlang.
Und fast alle? Amerikanisch.
Lange Zeit hat das niemanden[1] wirklich interessiert. Wenn Deine Daten in einem Frankfurter Rechenzentrum lagen und Dein Anbieter die richtigen Zertifikate hatte, war alles gut. Die Enterprise-Welt unterschrieb ihre DPA-Verträge und zog weiter. Die Hyperscaler dominierten.
Aber diese Ära geht zu Ende – und das nicht nur aus technischen Gründen.
AWS, Google Cloud und Azure halten 67 % Marktanteil. Quelle: Synergy Research Group.
[1] „Niemand“ ist natürlich vereinfacht. Einige Leute haben sich immer gekümmert, aber es war längst nicht so Mainstream wie heute.
Von rational zu emotional
Bis vor Kurzem waren Cloud-Entscheidungen, gerade rund um Privacy und Compliance, überwiegend rational. Du brauchtest GDPR-Konformität? Kein Problem. SOC 2? ISO 27001? Papierkram erledigen und selbst ein US-Cloud-Provider war juristisch sicher.
Doch es hat sich etwas verändert.
Es geht nicht mehr nur um Compliance. Es geht um Vertrauen, Gerichtsbarkeit und Unsicherheit. Dieser Wandel ist genauso emotional wie juristisch.
Man merkt es daran, wie heute über US-Tech gesprochen wird. Die Frage lautet nicht mehr „erfüllen sie die DSGVO?“, sondern „was, wenn Trump wieder irgendwas Verrücktes macht und alles ändert?“ Oder „was, wenn US-Überwachungsgesetze aggressiver werden?“ Klare politische Argumente gibt es selten – es ist einfach ein Unbehagen. Und dieses Unbehagen bestimmt Kaufentscheidungen.
Dieses Gefühl lässt sich nicht mit weiteren Zertifikaten heilen. Ein „European Region“ bei AWS reicht nicht. Man will ein europäisches Unternehmen, das europäischem Recht unterliegt, von Leuten im eigenen Rechtsraum betrieben wird und komplett losgelöst von amerikanischer Politik ist.
Die neue Fragmentierung
Und da sind wir wieder: Fragmentierung.
Nicht weil die Technik schlechter geworden ist, sondern weil die Emotionen stärker wurden. Die gleiche Hyperscaler-Cloud, die einst Sicherheit und Einfachheit versprach, wird jetzt infrage gestellt. Nicht nur von Regierungen oder Regulatoren, sondern von Firmen jeder Größe, die sich nicht mehr wohlfühlen, ihre Daten jemandem anzuvertrauen, den sie weder vorhersagen noch beeinflussen können.
Natürlich haben die Hyperscaler das bemerkt. AWS arbeitet an „Sovereign Cloud“, Microsoft an regionalen Data Guardians, Google wirbt mit Zero-Trust-Infrastruktur. Aber hier liegt der Haken:
Wenn der Wandel emotional ist, reichen diese Maßnahmen nicht.
Eine Tochterfirma bleibt eine Tochterfirma. Ein US-Unternehmen, selbst wenn es in einen deutschen Mantel gehüllt wird, unterliegt immer noch US-Recht. Und genauso US-Politik. Für viele Firmen ist das heute nicht mehr akzeptabel. Nicht aus rein rationalen Gründen.
Warum das gute Nachrichten für Startups sind
Früher war „wir brauchen starke Datenschutz-Garantien“ vor allem ein Enterprise-Thema. Große Unternehmen verlangten Zertifikate und wählten lokale Schwergewichte wie StackIt. Diese hatten Budget und Zeit, jede ISO, SOC und sonstige Norm einzusammeln.
Als Startup konntest Du da nicht mithalten. Die Zertifizierungen waren zu teuer, Du kamst gar nicht erst in die Gespräche.
Das hat sich geändert.
Denn wenn die Angst emotional statt juristisch ist, ist Compliance nicht mehr das Haupt-Kriterium. Besonders bei kleineren Firmen lautet die Priorität nicht „hast Du SOC 2?“, sondern „bist Du deutsch?“.
Kleine Businesses fordern keine hundertseitigen Audit-Reports. Sie verlangen Nähe, Vertrautheit und juristische Deckungsgleichheit. Und genau hier öffnet sich die Tür für Anbieter wie Sliplane.
„Ich brauche kein SOC 2. Ich muss wissen, dass meine Daten nicht nach Virginia wandern.“
Wir haben nicht den Feature-Umfang von AWS. Wir haben nicht die Zertifikate von StackIt. Aber wir sind ein deutsches Unternehmen, das komplett in der EU operiert – und das allein reicht vielen unserer Kunden.
Tatsächlich geben viele Kund:innen genau das als Hauptgrund an. Nicht Preis, nicht Features, nicht Zertifikate. Einfach Vertrauen und Nähe.
Die Cloud wird wieder chaotisch
Wo führt das hin?
Die Hyperscaler verschwinden nicht. Sie werden weiterhin einen Großteil des globalen und wahrscheinlich auch des europäischen Markts halten, speziell bei Riesenkonzernen und Hyper-Growth-Startups mit weltweiten Ambitionen.
Aber die Idee, dass am Ende jede:r auf einem US-Hyperscaler landet, stirbt – zumindest in Europa und bei kleineren Firmen.
Wir treten in eine neue Ära ein, in der lokale Cloud-Provider echte Chancen haben. Nicht weil sie technisch besser sind, sondern weil sie vertrauenswürdig sind. Das öffnet Raum für eine neue Welle von Cloud-Plattformen: fokussiert, agil und regional verwurzelt.
Es ist die Deglobalisierung der Cloud. Und in diesem Chaos liegt die Chance.
Cheers,
Jonas, Co-Founder von Sliplane